Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer

Liebe Soldan-Moot-Teilnehmer,

die Corona-Pandemie beherrscht unseren Alltag weiterhin. Der Universitätsbetrieb und die persönlichen Kontakte waren stark eingeschränkt, aber dennoch haben Sie als Team zusammengefunden und zusammengehalten. Ich freue mich deshalb umso mehr, dass Sie an unserem 9. Soldan Moot zum anwaltlichen Berufs- und Zivilrecht teilnehmen und ich Sie im Namen der Bundesrechtsanwaltskammer herzlich begrüßen darf.

Die Pandemie hat nicht nur die Digitalisierung unseres Lebens, sondern auch des Berufslebens erheblich beschleunigt. Video- und Telefonkonferenzen sind selbstverständlich geworden. Sogar die Gerichte, deren Mühlen bekanntlich langsam mahlen, haben in digitaler Hinsicht einen Schub bekommen. So wurde § 128a ZPO endlich zum Leben erweckt. Die Anwaltschaft wünscht sich, dass alle Gerichte hinreichend technisch ausgestattet werden und dass künftig noch mehr von der Bild-Ton-Übertragung in den Sitzungssaal Gebrauch gemacht wird.

Für uns praktizierende Rechtsanwälte und für Sie als zukünftige Juristen stellt sich mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung der Justiz und des Rechtsmarkts nicht unbegründet die Frage: Wie wird oder muss sich der Rechtsanwaltsberuf verändern? Wird die Rolle der Anwälte in der Rechtspflege eine andere sein als bisher? Muss die Juristenausbildung entsprechend reformiert werden?

Das Berufsrecht der Anwaltschaft ist bereits gerade modernisiert worden. In diesem Sommer wurden die umfassendsten Reformen des anwaltlichen Berufsrechts seit der großen BRAO-Reform im Jahre 1994 verabschiedet. Im Zentrum der Novelle stehen Neuregelungen des anwaltlichen Gesellschaftsrechts, der berufsrechtlichen Behandlung der Bürogemeinschaften und des Umgangs mit anwaltlichen Interessenkonflikten. Neu sind auch die Einführung des Teilzeitreferendariats, die noch von den Ländern umzusetzende Möglichkeit, die juristischen Examina elektronisch abzulegen oder die Berufspflicht, innerhalb eines Jahres nach der Zulassung zur Anwaltschaft Kenntnisse im anwaltlichen Berufsrecht nachzuweisen. Diese Kenntnisse im Berufsrecht können auch schon im Studium erworben werden. Wo, wenn nicht hier bei unserem Soldan Moot könnten diese besser erlangt werden?

Professor Dr. Wolf mit seinem Team hat diese hochaktuellen Themen aufgegriffen und wieder eine bunte Fallakte kreiert. Sie haben diesen kniffligen Fall mit vielen Ihnen bisher unbekannten Problemen bis in das kleinste Detail auseinandergenommen und bei der Formulierung der Schriftsätze Ihr Bestes gegeben. Der Soldan Moot ist ein großartiges Mittel für eine praxisnahe Ausbildung. Der Wettbewerb bietet die Möglichkeit, neues Wissen zu erwerben und neue Fähigkeiten zu erlernen. Rhetorik und freie Rede werden gefördert. Soft Skills waren immer schon und sind heute mehr denn je unerlässlich für eine erfolgreiche und erfüllende Tätigkeit als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt.

Der Soldan Moot macht aber auch Sie als angehende Juristen mit den Anforderungen des anwaltlichen Alltags und dem für mich schönsten Beruf überhaupt vertraut. Vergessen Sie nie: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte üben eine wichtige Funktion in unserem Rechtsstaat aus. Der Rechtsanwalt ist unabhängiges Organ der Rechtspflege. Damit gewährleisten und sichern die Anwälte für jede Bürgerin und jeden Bürger den Zugang zum Recht und verschaffen Rechtsuchenden rechtliches Gehör vor den Gerichten und Behörden.

Ich danke Professor Dr. Wolf sehr, dass er es gemeinsam mit seinem Team ermöglicht, den Soldan Moot trotz der Corona-bedingten Erschwernisse durchzuführen. Nutzen Sie das angebotene Rahmenprogramm, sich mit anderen Teams auszutauschen, potentielle Arbeitgeber kennenzulernen oder Kontakt zu erfahrenen Praktikern zu knüpfen.

Einen großen Dank möchte ich auch den vielen ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen aussprechen, die im Hintergrund die Schriftsätze bewertet und sich die Zeit nehmen, sich als Juror und/oder Richter für den Soldan Moot zu engagieren. Ohne Sie wäre der Wettbewerb nicht durchführbar.

Ich wünsche Ihnen faire und spannende Verhandlungen und vor allem viel Spaß, wenn Sie in die Anwaltsrobe schlüpfen und das Gericht und vor allem die Juroren von Ihren Argumenten überzeugen und Ihrem Mandanten zum Erfolg verhelfen. Ich bin sicher, Sie werden sich nach diesem Einblick in die anwaltliche Praxis noch mehr auf Ihren Karrierestart als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt freuen!

Herzlich

Ihr

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels

Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer